Kaiserdome des Rheinlandes - Mai 2019

Das Rathaus in Aachen ist für Besucher vierzehn Tage lang geschlossen. Grund sind die Feierlichkeiten zur diesjährigen Verleihung des Karlspreises, einer jährlichen Ehrung, die Persönlichkeiten mit besonderen Verdiensten um die europäische Einigung verliehen wird. Dieses Jahr ist UNO-Generalsekretär Antonio Guterres der Geehrte. Man braucht offenbar zwei Wochen, um die Sicherheitsmassnahmen für diesen Anlass zu organisieren. So bleibt der Krönungssaal ohne unseren Besuch, was ihn nicht weiter kümmern dürfte, uns hingegen schon. – Aachen hat kurz nach dem Zweiten Weltkrieg den europäischen Gedanken aufgenommen und mit dem Karlspreis gefördert. Die Stadt wurde in diesem Krieg als erste deutsche Stadt von den Alliierten befreit, was nicht ohne erhebliche Zerstörungen gelang. Die Bevölkerung war zuvor weitgehend evakuiert worden.

Eine Gedenktafel an der Rathausfassade erinnert daran, dass die Abgeordneten der Stadt im Jahre 1933 dem damals frisch gewählten Führer Adolf Hitler das Ehrenbürgerrecht verliehen - als eine der ersten Städte Deutschlands überhaupt. So weht der Zeitgeist durch die Städte.

Der Aachener Dom ist geöffnet, wenn auch nicht mehr so leicht zugänglich wie früher. Das Obergeschoss mit dem Marmorthron Karls des Grossen kann nur mit einem Führer besichtigt werden, und nur zu eng begrenzten Zeiten. Trotzdem ist der Besuch ein Erlebnis: Das karolingische Oktogon ist ein äusserst beeindruckendes Beispiel für die karolingische Renaissance, von Karl dem Grossen höchstpersönlich gegen Ende des achten Jahrhunderts in Auftrag gegeben und damals in nur acht oder neun Jahren realisiert. Wer morgens vor dem grossen Besucherandrang eintritt, hat das Raumerlebnis fast für sich allein.

Dreissig deutsche Könige wurden in dieser Kirche gesalbt sowie gekrönt und haben danach den Thron bestiegen. Die einfachen Marmorplatten des Throns stammen aus Jerusalem und wurden dort offenbar zuvor für anderes verwendet. Unter anderem ist ein Mühlespiel eingeritzt, heute noch sichtbar.

Das karolingische Oktogon wurde nach byzantinischen Vorbildern gebaut, die sich ihrerseits am Pantheon in Rom orientierten. Diese Weitläufigkeit der damaligen Welt mit ihren bescheidenen Transport- und Kommunikationsmitteln erstaunt uns heute.

Von den berühmten «Kaiserdomen» am Rhein ist der Aachener aus meiner Sicht der eindrücklichste und auch jener, an dem man die historisch-architektonische Entwicklung am leichtesten erkennen kann. Die drei Dome von Speyer, Mainz und Worms sind zwar beeindruckende ursprünglich romanische Bauten, haben jedoch viele gotische und barocke Restaurierungen erfahren, die sie stark veränderten.

Der Aachener Dom wurde vor der mittelalterlichen Warmzeit erbaut, während die Dome von Speyer, Mainz und Worms alle ungefähr auf dem Höhepunkt dieser Klimaanomalie erstellt wurden. (Grönlands Süden wurde in jenen warmen Jahrhunderten von den Normannen besiedelt.) Für diese drei ist es daher naheliegend, anzunehmen, dass das klimatisch erleichterte Leben und damit verbundene starke Bevölkerungswachstum die grossen Kulturbauten ermöglichten. Für den Bau des Aachener Doms fehlt diese klimatische Begünstigung. Es muss wohl allein der starke Wille Karls des Grossen auf dem Höhepunkt seiner Macht gewesen sein, der diese Jahrtausend-Meisterleistung bewirkte.

Josef Rupp (11.5.19)

Vierhundert Meter über dem Bodensee liegt Eichenberg, Wohnort von Josef Rupp mit Familie. Er und seine Ehefrau Antonella (selbständige Architektin) laden in unregelmässigen Abständen zu einer Soirée ein, mit Musikvortrag, Referat und Diskussion. Diesmal waren die brasilianische Sopranistin Gabriella di Laccio und der schottische Gitarrist Jamie Akers zu Gast, die Sängerin sehr einfühlsam, der Gitarrist ein feiner Saitenkünstler. Als Referent trat ETH-Professor Joachim Buhmann auf, ein äusserst kompetenter Kenner der Datenanalyse-Wissenschaft, insbesondere der Künstlichen Intelligenz (KI). Die Kulinarik kam beim Käse-Unternehmer Rupp ebenfalls nicht zu kurz. Ein solches Zusammentreffen in einem architektonisch beeindruckenden Haus hoch über dem Bodensee ist immer ein unvergessliches Erlebnis.

Das spannende Referat von Prof. Buhmann schöpfte in der Geschichte der Mathematik und Statistik, um in den aktuellen Stand der Wissenschaft der Algorithmen und der Künstlichen Intelligenz einzuführen. Das Erkennen und Interpretieren von Daten, insbesondere auch von Bildern, wird mit KI eine gewaltige Beschleunigung und Verbesserung erfahren. In der Diskussion kamen die typisch europäischen Bedenken bezüglich Datensicherheit, Fremdbestimmung und Ethik zur Sprache, natürlich auch der europäische Forschungsrückstand gegenüber den USA und China. Erfreulicherweise blieb es aber nicht dabei; der potenzielle Nutzen schien doch die meisten zu überzeugen.

Zwei Tage später mein Routinebesuch bei der Dermatologin, die halbjährlich meine Haut auf allfällige melanomartige Veränderungen untersucht, nachdem vor einiger Zeit ein kleines Melanom entdeckt und herausgeschnitten wurde. Sie fotografiert verdächtige Stellen und vergleicht diese halbjährlich mit dem jeweils aktuellen Bild. Der Übertrag von der Kamera auf die Krankengeschichte erfolgt in ihrer Praxis noch von Hand, im Kantonsspital automatisch. Meine Frage, ob es schon KI-Programme gebe, welche Hautveränderungen beurteilen können, verneinte sie und fügte etwas ängstlich hinzu, dass ein solches Programm ihren Beruf erheblich verändern würde. Zweifellos wird es so kommen.

Juso (3.5.19)

Der deutsche Juso-Vorsitzende äusserte am 1. Mai die Idee, man solle deutsche Grossunternehmen wie zum Beispiel BMW und deutsches Wohneigentum, das nicht vom Eigentümer benutzt wird, vergesellschaften – das heisst verstaatlichen. DDR 2.0 also. Dieser 29-Jährige ist Student in den Fächern Publizistik, Kommunikationswissenschaften und Politikwissenschaften ohne Abschluss und verdient Geld als Assistent einer SPD-Politikerin im Deutschen Bundestag. Die Wettbewerbswirtschaft und Leistungsgesellschaft kennt er nicht – er kritisiert sie aus seiner Aussensicht.

Er dürfte bei so manchen jungen Menschen durchaus auf Zustimmung stossen, vor allem bei solchen, welche die gleiche Aussensicht auf die Wettbewerbswirtschaft und Leistungsgesellschaft haben. Und das sind immer mehr. Immer mehr Jugendliche besuchen die Universitäten und Fachhochschulen, wo sie ein interessantes sozialwissenschaftliches Fach studieren, angeleitet von staatlich besoldeten, verbeamteten Professoren. Steigen sie nach einem ersten Abschluss in den universitären Mittelbau auf – sei es als Assistent, wissenschaftlicher Mitarbeiter o.ä. -, so erwarten sie nicht eine befristete Anstellung, sondern verlangen neuerdings eine Festanstellung. Gegenwärtig finden in Berlin gerade öffentliche Demonstrationen mit dieser Zielsetzung statt. Dass sie damit den nachfolgenden Studierenden den Weg in solche Zwischenstationen der beruflichen Laufbahn verbauen, ist ihnen egal. Weil die beruflichen Möglichkeiten ihrer Ausbildung beschränkt sind und nur unter Wettbewerbsdruck finanziell Attraktives bieten, suchen sie ihre Nische an der Ausbildungsstätte.

Der Staat als Arbeitgeber – das war schon immer die Sehnsucht vieler Menschen. Trotz Vollbeschäftigung und wirtschaftlicher Dynamik hat dieser Wunsch nicht nachgelassen, im Gegenteil.

"Die Reise der Gene" (15.4.19)

«Die Reise unserer Gene – Eine Geschichte über uns und unsere Vorfahren», ein Buch der Autoren Johannes Krause und Thomas Trappe ist gut geschrieben und gibt Einblicke in die Ergebnisse der neuesten DNA-Analysen der Archäogenetiker längst verstorbener Menschen. Die Resultate sind im Grossen wie im Detail interessant. Es waren zum Beispiel Anatolier, welche vor rund 8'000 Jahren die Landwirtschaft nach Europa brachten, und es waren Steppenleute aus dem Osten mit ihren Wagen und Pferden, welche vor rund 4’800 Jahren das stark entvölkerte Europa neu aufmischten, wobei die Entvölkerung möglicherweise durch die Einwanderung des Steppen- und Hirtenvolkes selbst - mit ihren Krankheiten (Pest?) -  verursacht wurde. Das Buch ist auf jeden Fall lesenswert, informativ, unterhaltend und spannend - bis auf den letzten Teil, wo sich der Genetiker und der Journalist (der sich gerne mit den Rechtspopulisten anlegt) auf ein ihnen wissenschaftlich unvertrautes Gebiet wagen: die aktuelle Migration aus dem Nahen Osten und vor allem aus Afrika, die sie aus genetischen Gründen als nützlich erachten. Anders als frühere Einwanderer treffen die heutigen Migranten jedoch nicht auf neue Eroberungsgebiete. Sie können die «Ureinwohner» auch nicht weitgehend dezimieren, wie es die europäischen Ankömmlinge in Nord- und Südamerika gemacht haben (ca. 90 % der dortigen Ureinwohner starben infolge von eingeschleppten Krankheiten). Nein, die Afrikaner kommen in eine ihnen sehr fremde, hochentwickelte Kultur, in Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften mit hohen Anforderungen des Arbeitsmarktes; ihnen fehlt aber die Arbeitstradition für eine baldige Integration. Und sie sind der Versuchung ausgesetzt, die Benefits des Sozialstaates zu nutzen, statt sich für den Arbeitsmarkt und die Integration fit zu machen. Eine deutsche Politikerin der GRÜNEN meinte im Jahre 2015 zur grossen Flüchtlings- und Migrations-Welle: «Uns werden Menschen geschenkt!» Von Geschenk jedoch keine Spur: Die deutschen Steuerzahler bezahlen sehr viele Milliarden für die Asylanten und Migranten, und zwar nicht nur einmal, sondern während vielen Jahren. Und ob das genetische Ergebnis nach einigen Generationen oder in einigen Jahrhunderten dadurch besser wird als ohne die Migration, lässt sich wohl behaupten, aber nicht beweisen. Das Gegenteil könnte auch eintreffen.

Lehrerschwänzen (11.4.19)

Meine Enkelin Lynn geht in Bayern ins Gymnasium und langweilt sich. Die Schule ist zu wenig fordernd, die Lehrerschaft zu bequem. Viele Schulstunden fallen aus, Schulschwänzen hat eine neue Bedeutung erhalten: Nicht die Schüler schwänzen, sondern die Lehrer. Diese Woche fallen bei ihr 13 Unterrichtsstunden aus! Vormittags verkürzen die Lehrerinnen öfters die Schulstunden von 45 auf 30 Minuten, womit die Schule jeweils schon um 11:15 Uhr endet – der Grund dafür dürfte einheitlich sein. Lynn versucht mit ihrem Reitsport einen Ausgleich zur Langeweile zu finden.

Ebenso krass ist das Lehrerschwänzen in Ostsachsen. Mitarbeiter unseres Unternehmens berichten von skandalösen Zuständen am Gymnasium ihrer Kinder. Lehrerinnen und Lehrer sind tage-, wochen- und monatelang krank, ohne Ersatz. Eine Englisch-Lehrerin fehlt ersatzlos seit neun Monaten. Andere Lehrkräfte sind ebenfalls monatelang krankheitshalber schulabwesend, werden aber im Restaurant, im Kino und Theater gesehen. Es kommt vor, dass Lehrer am Sonntagabend eine WhatsApp-Mitteilung an die Schüler senden, die ersten Stunden am Montag würden ausfallen – einfach so. – Nun haben sich die Eltern organisiert und an das zuständige Ministerium geschrieben, dass es so nicht weitergehen könne. Man darf gespannt sein, ob es gelingt, die bequeme, verwöhnte, verbeamtete und in den Medien als überlastet dargestellte Lehrerschaft zu disziplinieren.

Bayern und Ostsachsen sind keine Ausnahmen. In Berlin, wo 42'000 Lehrer beschäftigt sind, betragen die krankheitsbedingten Ausfalltage pro Jahr durchschnittlich mehr als vier Wochen – zusätzlich zum Urlaub von zwölf Wochen (siehe z.B. den jährlichen Bericht "Pauschale Gesundheitsquoten der Beschäftigten im unmittelbaren Landesdienst Berlin", im Internet verfügbar).